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Das vierte Schulmagazin

30 Schulmagazin - Grenzenlos - Fremdlinge sollst du nicht schinden und drü- cken; denn ihr seid auch Fremdlinge in Ägypten gewesen.ʻ Es ist ein Gebot, das auf eine vorheri- ge Erfahrung hinweist, nämlich auf das Exil, von dem das Jüdische bis in die Gegenwart gezeichnet ist. Bei den Griechen trägt Zeus den Beinamen Xenios – der Gott, der das Gastrecht schützt. Wie eng Fremdheit, Gastfreundschaft und Feindschaft beieinander wohnen, zeigt sich in der schillernden Bedeutung der lateinischen Wörter ,hostisʻ und ,hospesʻ. Hat die Aktualität der Fremdheitspro- blematik überhaupt etwas mit diesen alten Tradi- tionen zu tun? Vielleicht könnte das Denken des Fremden – speziell aus Sicht der Philosophie – da- rauf eine Antwort geben, gerade weil sich dieses Denken weder auf sicher vorhandene Traditionen stützt noch in Tagesfragen aufgeht.“ (aus: Bernhard Waldenfels, Das Fremde denken, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Con- temporary History, Online-Ausgabe, 4/2007) Zuwanderung in der Philosophie ( siehe: Der Kapi- talismus ist ein Humanismus von Thomas Vasek, Philosophie-Zeitschrift – Hohe Luft 1/2016 S. 23ff) Das Fremde in der Philosophie Einige bedeutende Philosophen haben gegen die uneingeschränkte Zuwanderung argumentiert. Immanuel Kant meint in seinem Essay „Zum ewi- gen Frieden“ (1795), dass allen Fremden zwar ein Besuchsrecht zustehe, nicht aber das Gastrecht, länger zu bleiben – dazu sei ein besonderer wohltä- tiger Vertrag erforderlich. John Rawls schreibt in seinem Buch, Regierungen hätten Verantwortung für ihr Territorium und die Größe ihrer Bevölkerung. Ein Land habe daher die qualifizierte Verpflichtung, die Einwanderung zu begrenzen. Als Gründe nennt Rawl den Schutz der politischen Kultur des Landes und seiner Verfas- sungsprinzipien. Auch Michael Walzer argumen- tiert, die Besonderheit von Kulturen und Gemein- schaften brauche einen geschlossenen Raum, um sich zu entfalten. In der Migrationsfrage geht es allerdings nicht bloß um den Zugang zu einem Territorium oder einer Kultur. Es geht auch um den Zugang zu öko- nomischen Chancen. Wenn es ein Recht auf sol- che Chancen gibt, dann kann man dem Menschen die Zuwanderung nicht ohne Weiteres verwehren. Und das gilt erst recht, wenn beide Seiten aus der Zuwanderung ökonomische Vorteile ziehen. Die liberalen Ökonomen des 19. Jahrhunderts ar- gumentierten daher für unbeschränkte Migration. Jeder Mensch solle sich frei bewegen dürfen, um nach seinem Vorteil zu streben. Der Staat solle nur für die Aufrechterhaltung der Ordnung auf seinem Territorium sorgen, aber nicht darüber entschei- den, wer es bewohnen dürfe. Der englische Staatstheoretiker Thomas Hobbes (1588–1679) meinte, dass Menschen, die ihren Le- bensunterhalt nicht im eigenen Land verdienen können, in dünn besiedelte Länder umgesiedelt werden sollten. Allerdings sollten die Siedler die Einwohner nicht ausrotten, sondern sie drängen, enger zusammenzuwohnen und nicht weiträumig umherzustreifen, um sich zu nehmen, was sie fin- den. Menschen haben Anspruch auf Chancen, um ihre Lebensumstände zu verbessern. Das bedeutet Verwirklichungschancen (capabilities), wie es der Ökonom und Philosoph Amartya Sen ausdrückt – nämlich konkrete Chancen, die eigenen Vorstel- lungen von einem guten Leben zu realisieren. Menschen streben danach, ihre materiellen Be- dürfnisse zu befriedigen. Dabei handeln sie nicht als isolierte Subjekte, sondern immer in konkreten Situationen, sie interagieren mit gesellschaftlichen Systemen innerhalb eine global vernetzten Welt.

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