164 Schulmagazin - Interview mit Frau Dr. Bernadette Schwarz-Boenneke - gezogenen anpassen. Ich halte es auch für notwen- dig, , dass sich jeder mit hier geltenden Regeln und Gesetzen vertraut machen und sich an sie halten muss.. Zugleich aber es ist auch richtig, dass wir uns alle bewegen müssen, wenn dies auch bedeu- tet, die gewohnten Pfade zu verlassen und sich dem Risiko auszusetzen, etwas Neues zu lernen. Dies befremdet und kann auch Angst machen. Bedeutet das auch, nicht nur die Migranten müss- ten unsere Sprache lernen, sondern wir müssten auch ihre Sprache lernen? Ganz konkret auf die gesprochene Sprache bezo- gen? Ja, die Sprache – gemäß Humboldt – als Synonym für die Kultur. Ich habe selbst ein Jahr lang in Frankreich gelebt und war der Sprache bei meiner Ankunft nicht mächtig. Ich habe gelernt, mich leicht ohne Sprach- kenntnisse im Alltag zu bewegen. Ich bin schlicht und einfach zum Einkaufen in den Supermarkt gegangen, habe bei Bedarf einen mehrsprachigen Arzt aufgesucht, und beim Friseur habe ich auf das gezeigt, was ich haben wollte. Wir kommen also auch ganz gut ohne die Alltagssprache zurecht, wenn wir uns deiktisch artikulieren. Wenn es aber darum geht, in der neuen Lebenswelt anzukom- men, Freunde zu finden, ist Sprache notwendig. In meiner damaligen Situation in Frankreich habe ich mich mit Deutschen getroffen, weil es so viel einfacher und nicht so anstrengend war. Um aber richtig anzukommen, war mir jedoch klar, dass ich die Sprache lernen muss. Die Sprache hier in Deutschland ist unsere gemeinsame Sprache. Es auch richtig, dass Köln eine internationale Stadt ist, und wenn man durch Köln geht, hört man vie- le Sprachen. Aber selbst wenn viele von uns Eng- lisch sprechen, bleibt doch die gemeinsame Um- gangssprache Deutsch, die wiederum keine starre Sprache sein kann, sondern kontinuierlichen Ent- wicklungen unterliegt. Was wir brauchen, ist eine Empathie für Anderssprechende. Kann man hier an George Herbert Mead und seine Konstruktion des „Role taking“ denken? Durchaus! Das Individuum erhält seine Identität durch die Interaktion mit anderen Individuen. Nur durch die Orientierung an den anderen Mit- gliedern einer sozialen Gruppe ist das Individuum in der Lage dazu, sich als solches wahrzunehmen. Eine soziale Gruppe ist aber keine betonierte Ein- heit. Die Sprache bildet hier natürlich eine maß- gebliche Grundlage für die Entstehung der Identi- tät wie gleichzeitig auch für eine funktionierende Gesellschaft. Wie in der Entwicklung des Kindes, ist diese Identität – das „Selbst“ – nicht von Beginn des menschlichen Lebens vorhanden, sondern muss zunächst durch Erfahrungs- und Entwick- lungsprozesse gebildet und vermittelt werden. Das Selbst entwickelt sich dann durch die Interak- tion, was immer mehr als Sprache ist, mit den an- deren fortlaufend weiter und kann somit nicht als