167 Schulmagazin - Interview mit Frau Dr. Bernadette Schwarz-Boenneke - gemerkt, wie wenig selbstverständlich das Reden von und über Gott und wie herausfordernd das Gespräch in einer säkularen Gesellschaft gewor- den ist. Die Gretchenfrage, wie wir es eigentlich mit der Religion halten, gehört über das Grundge- setz zu unserem weltanschauungsneutralen Staat eigentlich dazu, ist aber nicht mehr selbstverständ- lich. Religion ist für viele Menschen kein öffentli- ches Thema. Dies gilt für die öffentlichen Schulen. Was erwartet die Erzbischöflichen Schulen? In den Erzbischöflichen Schulen haben wir haben die große Stärke und das Potenzial, Schule in ei- nem christlichen und katholischen Sinn zu prä- gen. Es ist eine Bildungsqualität, den Menschen als Ganzheit im Blick zu halten. Für mich als Chris- tin und Katholikin ist es eine Lebensüberzeugung, dass Gott „Ja“ zu mir und zu jedem Menschen sagt. Diesem Ja zu glauben und es ernst zu nehmen, ist meine Aufgabe als Mensch. In Kenntnis all unserer Stärken und Schwächen sagt Gott Ja und schickt uns auf den Weg, unsere Stärken zu leben und mit den Schwächen umzugehen. Katholische Schulen sind der Ort, an denen dies ernst genommen wird. Ernst genommen mit dem Blick auf die Fähigkei- ten und die Freiheit, die jeder hat, aber auch mit Blick auf die Verantwortung füreinander. Ich verstehe Sie so, katholische Schulen weiter veror- ten zu wollen, weil nur das Bewusstsein des eigenen Ortes garantiert, Fremde willkommen heißen zu können. Ist das richtig? Ja, all die Punkte, die wir vorher angesprochen haben, nämlich mich selbst zu bewegen, auf je- manden zuzugehen, Respekt und Anerkennung zu leben, tolerant zu sein, funktionieren nur, wenn ich einen Selbststand habe, und wir haben diesen Selbststand als Christen. Dennoch darf man auch Angst vor dem Fremden haben? Ich möchte nicht ignorieren, dass es dieses Befrem- den gibt. Aber ich möchte nicht, dass aus diesem Befremden eine Haltung folgt, die den anderen ausschließt, ihm Rechte abspricht oder gewalttätig wird. Ich will keine Starre und keine Selbstvertei- digung, die in einem eigenen Schwachsein grün- det. Wenn ich mir Jugendliche und Erwachsene anschaue, wie sie darum ringen, wer sie eigentlich sind und was sie ausmacht, dann gibt es eine gro- ße Bereitschaft, projektiv zu handeln, um sich zu verteidigen. Hierbei konstituiert sich Identität über die Abgrenzung. 1961 schrieb der Medientheoretiker Herbert Mar- shall McLuhan, dass die visuelle, individualistische Druckkultur bald durch eine sogenannte elektroni- sche gegenseitige Abhängigkeit abgelöst werde. In dieser Periode werde die Menschheit vom Indivi- dualismus und der Trennung abrücken und eine kollektive Identität auf Stammesbasis annehmen. McLuhan nannte diese Sozialstruktur „Globales Dorf“. In derselben Geschwindigkeit, mit der die Welt zusammenrückte, nahmen jedoch offenbar auch die Abwehrhaltungen und Abgrenzungen zu