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Das vierte Schulmagazin

139 Schulmagazin Aus dem Unterricht entwickelte sich das Bedürfnis, mit jungen Frauen zu sprechen, die aus ihrem Hei- maltland geflohen sind: „Uns interessierten besonders die individuellen Gründe für die Flucht, der Verlauf der Flucht und die Wünsche der jungen Frauen für ihre Zukunft.“ Am Dienstag, den 8. September 2015, haben dann fünf Schülerinnen aus dem Kurs mit ih- rer Lehrerin das Robert-Wetzlar-Berufskolleg (Bonn) besucht, um dort fünf Schülerinnen im Alter von 17 bis 25 Jahren zu interviewen, die aus ihren Heimat- ländern geflüchtet sind und seit wenigen Jahren in Bonn leben. Das sehr bewegende Gespräch zeigte uns, dass den jungen Frauen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak durch die Kriege in ihren Heimatländern keine Mög- lichkeit blieb, ohne Todesgefahr weiter dort zu leben. Während der letzten Jahre, die sie noch in ihren Hei- matländern verbrachten, wurden sie entweder als eth- nische Minderheit diskriminiert oder aus religiösen Gründen verfolgt. Sie mussten aus Angst ihren Glau- ben verleugnen und durften nicht ihre Muttersprache sprechen. Im täglichen Leben mussten sie alles tun, um ihre wahre Identität zu verbergen. Der Mangel an Sicherheit, Freiheit, Frieden und ganz besonders der Mangel an Toleranz gegenüber Mit- menschen mit anderer Kultur, Sprache und Religion in den Ländern des Nahen Ostens hat uns während unseres Interviews und darüber hinaus sehr nach- denklich gestimmt. Hier in Deutschland konnten die jungen Frauen ihre Ängste und das Gefühl von Unsicherheit hinter sich lassen. Sie haben Deutsch gelernt, streben nun den Abschluss Klasse 10 an und haben Berufswünsche wie z.B. Bankkauffrau, Erzieherin und Kinderpfle- gerin. Leider haben sie kaum Kontakt zu deutschen Gleichaltrigen bzw. Schülerinnen und Schülern. Wir haben die fünf Zehntklässlerinnen daher zu ei- nem Gegenbesuch in unsere Schule eingeladen und uns gefreut, dass sie unserer Einladung am 3. Novem- ber 2015 gefolgt sind. Während der beiden gemeinsam verbrachten Schul- stunden haben wir mit den Mädchen aus Syrien und dem Irak gefrühstückt und einen Rundgang durch die Schule gemacht. Die deutschen Schülerinnen schil- derten ihre Erlebnisse nach dem Besuch wie folgt: „Obwohl wir aus grundverschiedenen Verhältnissen kommen, in unterschiedlichen kulturellen Umfeldern großgeworden sind und sehr verschiedene Lebenserfah- rungen bisher gemacht haben, hatten wir von Anfang an einen vertrauten Umgang miteinander und haben sehr viel geredet, gelacht und auch ein bisschen geweint. Eine besondere Begegnung mit besonderen Gefühlen.“ „Es war eine schöne Erfahrung, neue Menschen aus ei- ner anderen Kultur kennenzulernen. Wir bewundern, dass die Mädchen aus den Kriegsländern so fröhlich und offen waren, obwohl sie in ihrem Leben schon so viel Schlimmes erlebt haben. Wir haben sehr großen Respekt vor ihnen. Hoffentlich finden in der Zukunft weitere Treffen mit den Mädchen statt.“ „Die Mädchen waren alle sehr freundlich und offen. Wir haben einen Einblick in ihre Kultur bekommen, in- dem sie uns z.B. ihre arabische und kurdische Sprache in Schriftform gezeigt haben. Besonders bemerkenswert fanden wir, dass Dinge, die für uns alltäglich sind, für sie etwas sehr Besonderes sind.“ „Auch wenn die Begegnung sehr kurz war, haben die Mädchen einen netten und aufgeschlossenen Eindruck gemacht. Mehr Menschen in Deutschland sollten an sol- chen Treffen teilnehmen, um Toleranz und Akzeptanz für Flüchtlinge zu vergrößern.“ „Die Mädchen waren im Vergleich zu dem ersten Treffen im September, bei dem ich auch dabei war, viel offener. Sie haben selbst Fragen gestellt und ihre Meinung geäu- ßert. Je mehr Zeit man mit den Flüchtlingen verbringt, desto einfacher und unkomplizierter wird der Umgang. Man stellt sich die Frage: Warum scheint Integration so schwer zu fallen?“ „Was uns allen an diesem Morgen am meisten klar wur- de, ist, dass diese Mädchen trotz ihrer schweren Vergan- genheit nicht viel anders sind als wir. Es fiel nicht auf, dass Flüchtlinge in unserer Klasse waren. Die Atmo- sphäre ähnelte eher einem freundlichen, angenehmen Klassenfrühstück. Nach diesem Tag hätte wirklich jeder seine Vorurteile gegenüber Flüchtlingen fallengelassen.“ „Was ich am schönsten finde, ist, dass wir am Ende un- sere Telefonnummern ausgetauscht haben.“ Von Kunigunde Wulf-Dünner (Lehrerin für Englisch und Erdkunde am Sankt-Adelheid-Gymnasium, Bonn)

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