29 Schulmagazin - Grenzenlos - Um Mensch zu werden, zu sein, dürfen wir uns an kein Bild vom Menschen klammern. Wir müssen das Fremde akzeptieren und denken. Wir müssen auch die Demokratie schützen. Du sollst dir kein Bild machen greift vielleicht ein wenig zu kurz. Das entworfene Bild ist in Analogie zum Vorurteil nicht falsch, solange man bereit ist, das Vorurteil und Bild als notwendigen Vorentwurf zum Urteil zu sehen, den es ständig zu überprüfen gilt. Sicher braucht man einen Standpunkt, weil es sonst kei- nen gäbe, der verstehen könnte, aber man muss diesen Standpunkt ständig mit dem Anderen ab- gleichen, um zu einem bereichernd gemeinsamen Standpunkt zu gelangen. Das Individuum erhält seine Identität durch die In- teraktion mit anderen Individuen Ähnlich argumentiert Abteilungsleiterin Dr. Schwarz-Boenneke in einem Interview (www.ka- tholische-freie-schulen.de) im Oktober 2015: „Das Individuum erhält seine Identität durch die Interaktion mit anderen Individuen. Nur durch die Orientierung an den anderen Mitgliedern einer so- zialen Gruppe ist das Individuum in der Lage dazu, sich als solches wahrzunehmen. Eine soziale Grup- pe ist aber keine betonierte Einheit. Die Sprache bildet hier natürlich eine maßgebli- che Grundlage für die Entstehung der Identität wie gleichzeitig auch für eine funktionierende Gesell- schaft. Wie in der Entwicklung des Kindes, ist die- se Identität – das „Selbst“ – nicht von Beginn des menschlichen Lebens vorhanden, sondern muss zunächst durch Erfahrungs- und Entwicklungs- prozesse gebildet und vermittelt werden. Das Selbst entwickelt sich dann durch die Interak- tion, was immer mehr als Sprache ist, mit den an- deren fortlaufend weiter und kann somit nicht als feste Einheit, sondern vielmehr als immerwähren- de Ausdifferenzierung der Haltungen der anderen, der gesellschaftlichen Normen und Vorgaben, mit dem „Ich“ gesehen werden. Empathie bedeutet auch, dass ich – eben aufgrund meiner Empathie – weiß, was es heißt, sich nicht ausdrücken zu können, dass ich dessen beraubt bin, was Kommunikation zwischen Menschen aus- macht. Ich würde mir wünschen, dass wir die gro- ße Kultursprache, die wir haben, das „Nonverbale“ und die Haltungsfrage stärker einüben. Wir müssen hier in Deutschland darauf achten, eine Kultur zu leben, die das existente Freiheits- verständnis und das Verantwortungsverständnis verlebendigt. Was für mich darüber hinaus zu Deutschland gehört, ist die große Diskursfähigkeit in allen geistigen Bereichen. Dies wiederum impli- ziert das Aushalten anderer Überzeugungen. Ihr Bezug auf [die Bedeutung der Sprache bei] Humboldt geht aber noch einen Schritt weiter: Es fragt nach den kommunikativen und zwischen- menschlichen Codices, die im Sportverein, auf der Straße, im Beruf oder in Kultureinrichtungen – auch Kirche gelten. Diese Sprache können Fremde nur erlernen, wenn sie von uns eingeführt werden. Da geht es ihnen wie jedem, der nicht aus der Sze- ne, zum Beispiel der Opernszene, kommt und nicht weiß, wie er sich in dem Umfeld verhalten soll. Ich plädiere deswegen für Partnerschaften und Paten- schaften im Stadtteil: Die alteingesessenen Insti- tutionen sollten hier den ersten Schritt machen, Menschen aufnehmen und mit der „Sprache“ im Sinne der Kultur vor Ort vertraut machen. All die Projekte, die wir in Schulen, Vereinen etc. Land auf und Land ab sehen, sind dafür hervorragende Bei- spiele“. Das Fremde Das Fremde ist einerseits etwas Uraltes, anderer- seits etwas höchst Aktuelles. Was das Uralte an- geht, so genügt es, auf zwei Quellen der westlichen Kultur hinzuweisen. In Mose 2,22 heißt es: „,Die