76 Schulmagazin re Figuren von idealisierten Vorlagen ableitet und in ihre Malerei transformiert, um ihnen das Un- perfekte, Deformierte, Geschundene und Verlebte einzuschreiben. Dies gilt für viele ihrer Porträts, die sich häufig aquarellgenuin zeigen. Sie verwendet terpentin- verdünnte Ölfarben, die mit dem zum Teil ver- schmutzten Pinsel so lange bearbeitet werden, bis sich die Formen zu einem expressiven Gestus kon- kretisieren: Augen, Gesichter, Körper. Ihre Malerei irritiert, schockiert, rüttelt auf. Dumas’ Bilder trumpfen, weil sie fernab vorder- gründiger Rationalisierungen die Möglichkeit des Andersseins bereithalten und immer ins Ganze greifen. Freigestellt von der Verpflichtung, affirmative Wahrheiten zu verkünden, können sich ihre Bilder darauf spezialisieren, die anerkannten Diskurse mit alternativen Realitätsversionen zu konfrontie- ren, die mit semantischem Überfluss in die zuneh- mend auf „Komplexitätsreduktion“ angewiesenen modernen Gesellschaften kritisch zurückwirken. Die Porträts von Brigitte Bardot, Romy Schneider, Marilyn Monroe und anderen Models sprechen eine Wahrheit jenseits der Hochglanzmagazine aus. Wenn das Bild sich vom Klischee befreit, berich- tet es ungehemmt von praktisch allem und prä- sentiert dabei Probleme in neuem, ungewohntem Licht. Marlene Dumas spielt voller Lust an der Provokation das Spiel „Ich sehe was, was du nicht siehst“. Ihre Werkserie „Models“ geht dann buch- stäblich unter die Haut, hat Dumas hier Fotogra- fien von psychisch kranken Menschen aus dem 19. Jahrhundert verarbeitet. Bei einer Porträtreihe zu Schwarzafrikanern bemüht sie sich wiederum um die Herausarbeitung möglichst vieler individueller Züge, um unsere stilisierte Wahrnehmung zu kri- tisieren. Die Schülerinnen zeigten sich beeindruckt von der Malerei, die Bilder von Bildern und nicht Bilder von Begriffen und nicht Begriffe von Bildern zeigt. Die Bilder von Dumas offenbaren, dass kein vernünf- tiger Mensch das in der Kunst enthaltene Wissen leugnen kann, denn mit Kant gilt, dass dem Bild kein bestimmter Gedanke adäquat sein kann und ästhetische Bildwelten das Wissen ohne weitere Möglichkeit der Übersetzung in sich erhalten. „Nun behaupte ich, dieses Prinzip sei nichts ande- res, als das Vermögen der Darstellung ästhetischer Ideen; unter einer ästhetischen Idee aber verstehe ich diejenige Vorstellung der Einbildungskraft, die viel zu denken veranlasst, ohne dass ihr doch irgendein bestimmter Gedanke, d. h. Begriff ad- äquat sein kann, die folglich keine Sprache völlig erreicht und verständlich machen kann.“ Kant, K. d. U., Seite 250/B 194/A191 Exkursionen sind eine Bereicherung des Unter- richts und die einzige Möglichkeit sich mit dem Wissensspeicher Original auseinanderzusetzen. Olaf Gruschka