43 Schulmagazin sches Geplänkel, Bequemlichkeit, Technikgläu- bigkeit, also das Staunen vor dem eignen Können näher als das möglicherweise konsequenzenreiche Sich-Einlassen auf einen Gott, der in seinem Sohn Mensch wird, am Kreuz stirbt und von den Toten aufersteht. Dass sich das Christentum von Anfang an als Glau- be in der Stadt versteht, war biblisch keineswegs vorgezeichnet. Die Stadt ist bereits im AT auch Sinnbild menschlicher Hybris, man vertraut mehr auf die eigenen Mauern als auf den Gott, der sich nicht in Städte einschließen lässt. Jona wird in die Stadt geschickt, und es wundert nicht, dass er weg- läuft. Von Anfang an ist das Risiko des Scheiterns oder zumindest eines verbeulten Christentums einkalkuliert, wie es Papst Franziskus formuliert . Christentum in der Stadt ist ein Wagnis mit offe- nem Ausgang. Heute werden Tendenzen wahrge- nommen, dass sich das Christentum zunehmend wieder zu einer Stadtreligion entwickelt. Wenn das stimmt, dann ist diese Entwicklung mehr als eine geographische Information: vom Land in die Stadt. Es geht um ein Selbstverständnis eines Christen- tums, einer Kirche, die bewusst und ohne Angst eintaucht in den Moloch einer großen Stadt: in ihre Dichte und Unterschiedlichkeit der Menschen, in die Pluralität ihrer Lebensformen und Wertein- stellungen, die religiöse und zwischenmenschliche Beliebigkeit, in die unterschiedlichsten Stadtkultu- ren, das Gehen in die eigene Diasporasituation, in das Risiko, für viele belanglos zu sein. Wenn Kir- che heute in die Stadt geht, wird sie merken, dass tatsächlich viele Menschen die Bequemlichkeit eher suchen als die Kreuzesnachfolge und Glau- bensverbindlichkeit, die Sicherheit der eigenen vier Wände mehr schätzen als die Unbehaustheit des Evangeliums; wie Paulus wird sie auch dem Götzendienst begegnen, der heute vielfältiger ist als früher: Technikgläubigkeit, die Meinung, alles machen und berechnen zu können, was selbst in Bildungstheorien einfließt, die Vergötterung des Ich, die patchwork-artige Schaffung eigener Sinn- welten, der Glaube an Geld und Macht. Die Kirche hätte es seit Paulus einfacher haben können. Sie hätte sich, wie gesagt, mit der eigenen Welt zufriedengeben können. Der Glaube wäre un- angefochten geblieben, überflüssige Diskussionen und andere Schrammen wären einem erspart ge- blieben. Denn natürlich verändert sich die eigene Welt, verändern sich Glaube und Verkündigung, wenn sie ins oft vergebliche Gespräch mit anderen eintreten. Das muss man wollen. Und die Kirche will das offenbar. Wer als Kirche je in die Versu- chung geraten sollte, von der kleinen heilen Grup- pe, von einer klaren, sich abgeschlossen definie- renden katholischen Identität zu träumen, ist ohne es zu merken in die Irrlehre gerutscht. Was aber begegnet der Kirche auf dem Areopag der Stadt noch? Da gibt es Suchbewegungen, tastende Versuche, für sich und andere ein gutes Leben zu finden, da gibt es Nächstenliebe und Verantwor- tung, die Menschen füreinander leben, ohne von Christus gehört zu haben, da gibt es wirkliche Toleranz (nicht Beliebigkeit!), die den anderen zu verstehen versucht, und das Bemühen um Frieden und Gerechtigkeit. Es gibt die Ahnung davon, dass technische Machbarkeit, auch in der Wissenschaft und Medizin, nicht alles sein kann, was den Men- schen auszeichnet. Und wem begegnet die Kirche in der Stadt noch? Dort leben auch die Menschen, von denen bisher noch gar nicht die Rede war: die nicht an der Dynamik und Schnelligkeit der Stadt teilhaben, sondern auf der Strecke bleiben, die dem Leistungsdenken nicht standhalten, die Armen, die Menschen gar nicht am Rande, sondern mitten im Zentrum der Stadt. Es ist Ignatius von Loyola, der ein Pastoralpro-