46 Schulmagazin und Frauen (damals nicht selbstverständlich!), Be- mühen um gegenseitige Treue und Versöhnung. Der Brief entfaltet keine christliche Sonderwelt. 2.2. Tatzeugnis und Wortzeugnis Verkünde das Evangelium, wenn es sein muss, auch mit Worten – so hat Papst Franziskus einmal sinngemäß gesagt. In Evangelii Gaudium entfal- tet er einige Gedanken, wie das konkret aussehen kann, gerade in einer vielfältigen Stadtkultur. EG 71: „Wir müssen die Stadt von einer kontem- plativen Sicht her, das heißt mit einem Blick des Glaubens erkennen, der jenen Gott entdeckt, der in ihren Häusern, auf ihren Straßen und auf ihren Plätzen wohnt. Die Gegenwart Gottes begleitet die aufrichtige Suche, die Einzelne und Gruppen voll- ziehen, um Halt und Sinn für ihr Leben zu finden. Er lebt unter den Bürgern und fördert die Solida- rität, die Brüderlichkeit und das Verlangen nach dem Guten, nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Diese Gegenwart muss nicht hergestellt, sondern entdeckt, enthüllt werden. Gott verbirgt sich nicht vor denen, die ihn mit ehrlichem Herzen suchen, auch wenn sie das tastend, auf unsichere und weit- schweifige Weise tun.“ Als Christen begegnen wir Menschen anders, wenn wir bei ihnen bereits Gott am Werke sehen. Die wichtigste Kompetenz, die ich von einer ver- antwortlichen Person an einer katholischen Schu- le erwarten würde, wäre nicht allein eine eigene Glaubenspraxis. Diese allein ist noch wertlos. Auch dies will ich mit den Worten von Papst Franziskus sagen: Es geht um die Nähe und Fähigkeit zur Begegnung. „Wer predigt (verkündigt, P.K.), muss das Herz sei- ner Gemeinschaft kennen, um zu sehen, wo die Frage nach Gott lebendig und heiß ist“ . Das heißt doch, dass Verkündigung damit beginnt, die Menschen kennenlernen wollen, nicht weil ich etwas loswerden will, sondern weil ich überzeugt bin, dass Gott in ihnen am Werk ist, und ich so von ihnen lernen kann. Wenn ich mir etwa die Jugendlichen unserer ka- tholischen Schulen anschaue, möchte ich nicht einstimmen in die pessimistischen Bewertungen heutiger Jugend. Zwar haben wir es nicht mit En- geln und Heiligen zu tun, aber doch mit Menschen, die sich in der Regel auf die Suche nach Sinn, nach Gerechtigkeit, nach dem Guten einlassen, wenn auch auf eine legitimerweise für die Erwachsenen anstrengende Art und Weise. Wir haben viele Ju- gendliche vor uns, die bemüht sind, eine Atmo- sphäre des gegenseitigen Tragens und Ertragens mitzugestalten. Der Papst teilt bei allem Realismus dieses grundsätzliche Vertrauen in den Menschen und die Möglichkeiten Gottes mit jedem Einzel- nen, und Jugendstudien bestätigen dies durchaus (etwa Bertelsmann 2010). Gott ist im Lebensvoll- zug, im Alltag immer schon da. Was wir an katho- lischen Schulen einfordern müssen, ist die Bereit- schaft, sich auf diesen Weg der Spurensuche Gottes zu machen. Und wir haben doch Zeit: 8 bis 9 Jahre bleiben die Jugendlichen an unseren Schulen, sie dürfen sich entwickeln, sie sollen sogar kritische Fragen stellen. Wenn am Ende der Schulzeit ein Jahrgang gelobt werden sollte, dass er nie Probleme bereitet habe, haben wir entweder die Fragen un- terdrückt oder nicht richtig gearbeitet. Das Ziel im Kontext einer solchen Entdeckungsreise nach den Spuren Gottes ist kaum die Konfliktfreiheit und die Stromlinienförmigkeit unserer Jugendlichen: sie sollen schließlich zu Selbstdenkerinnen und Selbstdenkern werden. Vor zehn Jahren hat sich der Jesuit Klaus Mertes mit den Zielen einer durch Ignatius von Loyola