5 Schulmagazin Standpunkt zur Diskussion um G8 / G9 „Früher war alles besser.“ Manchem geht das durch den Kopf, wenn die Gegenwart nicht befriedigt und dazu verführt, Geändertes rückgängig zu machen. Wir übersehen dabei, dass sich Fortschritt nur im Wandel ereignet und Verharren im Bekannten zur Versteinerung führen würde. Wer weiter denkt, gelangt zur Analyse und evtl. zum Wandel der als belastend empfundenen Gegenwart, zur Nachbes- serung und vielleicht zur Richtungsänderung, aber nicht zur Rückkehr zu Vergangenem. Nicht anders sehe ich die aktuelle Diskussion um die Länge der Schulzeit an Gymnasien. Auch die 17 Gymnasien in der Trägerschaft des Erzbistums Köln sind seit 2005 „G8“ mitgegangen; die Schul- zeit gibt das Land vor. Dafür wurden erhebliche finanzielle und personelle Ressourcen eingesetzt. Der Alltag für die Kinder und Jugendlichen hat sich dadurch verändert – viele meinen, nur zum Nachteil: Kaum noch Freizeit, Büffeln ohne Ende, Stress durch Klausuren und Prüfungen. Obwohl es Vieles davon schon bei „G9“ gab, wird das alte Mo- dell oft im milden Glanz der selektiven Erinnerung gesehen. Fast alle anderen Bundesländer hatten schon „G8“, von ihnen hätte NRW lernen können. In einigen von ihnen gäbe es heute einen Elternaufstand, wenn man „G8“ abschaffen wollte. Doch hat man in NRW zweifellos Fehler gemacht. Einiges ist auf halbem Weg stecken geblieben, war nicht genug durchdacht oder wurde nicht konsequent umge- setzt. Vielleicht hat man statt des Kindeswohls, das über allen anderen Motiven für solche Änderun- gen stehen muss, andere Interessen zu sehr in den Vordergrund gerückt. Dennoch darf es jetzt keine Schnellschüsse ge- ben. Mit einem übereilten „Zurück in die Zu- kunft“ würden wir unserer Verantwortung nicht gerecht. Meinungsumfragen im Diskussionsstand des „Früher war alles besser“ sind wenig belastbar, zumal wenn sie suggerieren, dass es ein echtes Zu- rück gäbe – eine Rückkehr zum alten „G9“ ohne Langtage wäre gar nicht möglich. Man muss dies endlich ernst nehmen und darauf reagieren – wie es jetzt der „runde Tisch“ in Düsseldorf getan hat. Aber man darf sich nicht vom Mainstream durch’s Dorf treiben lassen und auf Kosten der Kinder ei- nen Fehler korrigieren, indem man einen neuen begeht. Statt dessen ist jetzt der zweite Schritt angesagt: Eine sorgfältige Analyse ist längst überfällig. Sie muss über den Tellerrand von NRW hinausschau- en, alle verfügbaren Erkenntnisquellen nutzen, das Kindeswohl in den Mittelpunkt stellen und sich die Zeit nehmen, die die Sorgfaltspflicht erfordert. Und erst danach wird entschieden, was zu tun ist. Nur dann und erst dann, wenn die gründliche Analyse belegen sollte, dass „G8“ irreparabel ist, sollte die Diskussion um das Gesicht eines zukünf- tigen neuen „G9“ beginnen. Das sind wir den Schülergenerationen schuldig, die mit unseren Entscheidungen leben müssen. Prälat Gerd Bachner, Leiter der Hauptabteilung Schule/Hochschule